Ein kleiner Essay über den großen Jupiter

Mars macht mobil? Blödsinn! Der unbesungene Held unseres Sonnensystems heißt vielmehr Jupiter. Dieser ist zur Zeit in Opposition und verdient ein wenig Aufmerksamkeit. Sowohl für Frühaufsteher als auch für nachtaktive Schlafverweigerer ist er zur Zeit bei klarem Himmel hervorragend zu sehen. Sobald es dunkel wird, geht er im Osten auf. Die Griechen der Antike erkannten in ihm den Herrscher des Olymp, ein Science-Fiction-Autor machte ihn zur Sonne, die Raumfahrt machte ihn zum Flugziel und Wing Commander zum Hauptquartier der konföderierten Streitkräfte. Sogar die Schlacht um die Erde hat er dort recht unbeschadet überlebt. Derzeit ist er besonders gut zu sehen. Wir schauen einmal genauer hin.

Jupiter ist nach Sonne, Mond und Venus das hellste Objekt am Nachthimmel. Es dürfte kaum verwundern, dass er deshalb bereits im Altertum bei Ägyptern sowie Arabern wohlbekannt war und schon immer metaphysische Bedeutung besaß. Den zahlreichen astrologischen Einschreibungen soll an dieser Stelle kein Raum gewidmet sein, es würde jeden Rahmen sprengen. Derzeit befindet sich der große Gasplanet zur großen Freude aller Hobbyastronomen und Sternengucker - vor allem derjenigen, die über ein eigenes Teleskop verfügen - in der sogenannten Opposition. Doch was bedeutet das eigentlich und warum ist diese Konstellation für uns Erdlinge überhaupt interessant?

Die Sache ist eigentlich erstaunlich einfach und recht schnell erklärt, wenn man sich vor Augen hält, dass der Jupiter als äußerer Planet auf seiner leicht elliptischen Umlaufbahn die Sonne mit einer Geschwindigkeit von etwa 13 km/sek umkreist, während die Erde als innerer Planet jedoch knappe 30 km pro Sekunde erreicht. Die schnellere Erde wird also von der Sonne aus betrachtet den langsameren Jupiter – der immerhin knapp 12 Erdenjahre für eine Umkreisung unseres Zentralgestirns benötigt - in regelmäßigen Abständen einholen und damit eine Position einnehmen, die auf einer Geraden genau zwischen Sonne und Jupiter liegt. Für uns Erdbewohner bedeutet dies, dass der Jupiter praktisch mit Einbruch der Nacht auftauchen und bis zum Morgengrauen am Firnament sichtbar sein wird. Gleichsam markiert die Opposition natürlich auch eine besonders erdnahe Position des Gasplaneten. Seine diesjährige Opposition hat Jupiter erst vor wenigen Tagen, nämlich genau am 29. Oktober, erreicht, wobei die erdnächste Entfernung aufgrund der ebenfalls elliptischen Bahn der Erde bereits zwei Tage zuvor eingenommen worden war. Derzeit beträgt die Entferung zwischen der Erde und dem Gasriesen etwas über 593 Millionen Kilometer, also 3,9 Astronomische Einheiten, von denen eine wiederum der mittleren Entfernung zwischen Sonne und Erde mit 149,6 Millionen Kilometern entspricht.

Dies verheißt Beobachtern, Sternfreunden und Fotografen selbstredend hervorragende Bedingungen, zeigt sich Jupiter mit seinen vier Galileischen Monden doch bereits in jedem handelsüblichen Feldstecher als von hellen Punkten umgebenes Scheibchen. Kein Stern würde je so erscheinen. Wer mehr von der scheinbaren Oberfläche des Gasriesen sehen möchte, muss allerdings schon auf ein kleineres Amateurteleskop zurückgreifen, wird dafür aber auch reichlich belohnt. Hier offenbart die 142 000 km durchmessende Planetenscheibe bereits erste „Oberflächendetails“ in Form von breiten, äquatorial verlaufenden Wolkenbändern mit rötlich-brauner Färbung, die durch Ammoniakverbindungen in der stürmischen Atmosphäre erzeugt werden. Bereits minütlich ändert sich das Antlitz des Planeten, der in flotten 9 Stunden und 55 Minuten um seine Achse rotiert und aufgrund dieser schnellen Rotation eine Abplattung von fast 9000 km aufweist, was ihn fast "eierförmig" erscheinen lässt. Regelmäßig ist natürlich auch der größte Wirbelsturm unseres Sonnensystems zu erblicken, der eine Längenausdehnung von knapp zwei Erddurchmessern besitzt und als Großer Roter Fleck bezeichnet wird. Darüber hinaus lässt sich im direkten Umfeld des Planeten die Bewegung seiner vier großen Monde verfolgen, die schnell ihre Position wechseln und abwechselnd hinter ihrem Planeten verschwinden bzw. seine erdzugewandte Scheibe durchlaufen (Transit).

Jupiters ständig wechselnden Oberfläche – gemeint sind natürlich stets die oberen Wolkenschichten - sowie seine großen Monde, von denen nur Europa kleiner als unser eigener Trabant ist, zeigt sich uns zur Zeit also von seiner schönsten Seite.

Die faszinierendsten Aufnahmen unseres größten Gasplaneten haben natürlich schon immer unbemannte Sonden geliefert, wobei die aktuellsten hochauflösenden Bilder immer noch von der Cassini-Huygens-Sonde stammen, die 2001 ihr Swingby-Manöver um Jupiter absolvierte, um den weiter entfernten Saturn anzusteuern. Die schönsten und aufschlussreichsten Bilder dürften aber sicherlich der im August gestarteten Atmosphärensonde Juno vorbehalten sein, die den Jupiter erst in fünf Jahren erreichen wird. Bis es soweit ist, wird der Planet weiterhin vor allem von Amteurastronomen abgelichtet werden, da die erdgebundene, visuelle Astronomie meist anderes zu tun hat als die Planeten vor unserer „Haustür“ abzulichten, wenngleich sie das in unregelmäßigen Abständen natürlich weiterhin tut. Die rein visuelle Beobachtung sowie die fotografische Arbeit ist damit tatsächlich den Amateuren zugefallen, die diese Aufgabe inzwischen mit immer besseren optischen Geräten wahrnehmen.

Ich selbst versuche mich als bescheidener Planeten-Amateur derzeit immer mal wieder fotografisch am Jupiter, der aufgrund seiner Helligkeit und seiner Größe von 49 Bogensekunden Winkelgröße am Himmel nach dem Mond sicherlich das am leichtesten fotografierbare Objekt am Himmel darstellt. Bereits mit einem kleinen Hobbyteleskop von 127 mm Öffnungsdurchmesser und einer CCD-Webcam sind Aufnahmen möglich, die eine Vielzahl an Details zeigen. Es lässt sich bereits erahnen, welche Aufnahmen die versierteren Amateure mit ihren größeren Optiken und besserer Ausrüstung zustande bringen. Da sich heute mit wenigen Mausklicks die prächtigsten Bilder von Jupiter finden lassen, belasse ich es hier ganz bewusst bei eigenen Ergebnissen. Folgendes Bild konnte ich zuletzt am 1. November aufnehmen:

Auch im Genre der modernen Science-Fiction ist der große Gasplanet beileibe kein Neuland mehr. Bereits Erfolgsautor Arthur C. Clarke hatte den Jupiter in seinem 1968 erschienenen Roman 2001: A Space Odyssey zum Reiseziel seiner ebenso einsamen wie unglückseligen Astronauten Bowman und Poole auserkoren, um den geheimnisvollen Signalen eines noch viel geheimnisvolleren Monolithen nachzugehen.

In der Fortsetzung aus dem Jahr 1984, die ebenfalls verfilmt wurde, geriet neben dem Gasplaneten auch sein Mond Europa vermehrt ins Zentrum des Plots. Am Ende wurde die gewaltige Wasserstoffkugel Jupiter durch die Macht des Monolithen mittels Verdichtung sogar zur Kernfussion gebracht und in einen Weißen Zwerg verwandelt. Die vier großen Monde des Jupiters, so wurde am Ende angedeutet, würden damit der Menschheit als neue, fast erdähnliche Himmelkörper zugänglich gemacht. Das ist freilich Science-Fiction der schönsten Art, die, aller planetologischen Kenntnisse ihres Autors zum Trotz, wesentliche Erkenntnisse über die vier großen Jupitermonde konsequent ausgeblendet hat: Dass zumindest Ganymed, Europa und Kallisto aus steinhart gefrorenem Wassereis bestehen und allenfalls über einen Kern aus Silikatgestein und schwereren Elementen verfügen, sollte man dem guten Clarke freilich nicht vorwerfen, denn zumindest entwarf dieser schon damals ein faszinierendes Bild eines etliche Kilometer tiefen Exo-Ozeans aus flüssigem Wasser, den die Wissenschaft auch heute noch unter dem dicken Eispanzer des Jupiter-Mondes Europa vermutet. Ob wir es noch erleben werden, dass dies mit einer Sonde nachgewiesen oder gar näher erforscht wird, steht allerdings in den Sternen – geplant ist es zumindest. Auf jeden Fall muss betont werden, dass die Jupiter-Monde unserem irdischen Mond in puncto Aufbau und Chemie nicht im Entferntesten ähneln.

Gastauftritte hatte Jupiter natürlich auch immer wieder bei Star Trek, wo er sogar eine wichtige Raumbasis der Sternenflotte beherbergt. Eine besonders wichtige Rolle spielte der Planet allerdings auch bei der Konkurrenz Babylon 5. Unter dem Feuer eines übermächtigen Schiffes der Schatten nutzte Captain Sheridan dort die gewaltige Anziehungskraft des Jupiters für ein verzweifeltes Manöver: Er lockte seinen Verfolger so tief in die Atmosphäre des Gasriesen, dass sich dieser aus der Gravitation nicht mehr mit eigener Kraft befreien konnte, während Sheridan mit seinem beweglicheren Schiff gerade noch rechtzeitig auf Gegenkurs ging und entkam. Das hilflose Schattenschiff wurde jedoch in die tieferen Schichten der Wasserstoffatmosphäre gezogen und unter dem Druck zehntausender Atmosphären zermalmt. Bei Babylon 5 wurde der Jupiter zum unerwarteten Retter, doch haben wir Menschen auch tatsächlich einen praktischen Nutzen von unserem Riesen im Sonnensystem?

Und ob! Genau genommen verdanken wir dem Jupiter eine ganze Menge, möglicherweise gar unsere nackte Existenz: Sein gewaltiges Gravitationsfeld wirkt wie ein mächtiger Staubsauger und hält schon seit Urzeiten sowohl gefährliche Asteroiden und Kometen als auch Irrläufer aus dem Asteroidengürtel außerhalb der Mars-Umlaufbahn von uns fern, indem er sie entweder „schluckt“ oder in seine Bahn zwingt. Gewisse Theorien gehen inzwischen sogar davon aus, dass der Jupiter die über Millionen von Jahre aktiven Evolutionsprozesse erst ermöglichte, indem er das Ökosystem der jungen Ur-Erde vor einem weiteren fatalen Einschlag bewahrt hat. Dass Jupiter solch gewaltige Einschläge schlicht „wegstecken“ kann, war uns erst anno 1994 durch den Mehrfach-Impakt des Kometen „Shoemaker-Levi 9“ spektakulär vor Augen geführt worden. Die Schwerkraft des Jupiters hatte den Kometen zuvor in mehrere Teile zermalmt. Auch bei der Suche nach erdähnlichen Exoplaneten ist das Aufspüren von größeren Jupiter-ähnlichen Gasplaneten deshalb von großer Bedeutung.

Doch auch bei Wing Commander spielte der faszinierende Gasplanet eine Rolle. So war er in Wing Commander IV die Heimat des orbitalen Flotten-Hauptquartiers der Konföderation, das Blair und Maniac mit ihrem Shuttle von der Bluepoint Station aus anflogen. Die zum Museumsschiff umfunktionierte TCS Victory kreist in der Videosequenz ebenfalls um Jupiter und taucht dort plötzlich hinter einem der größeren Monde auf.

Im Intro von Wing Commander III sehen wir im Hintergrund von Admiral Tolwyns Büro durch das Panoramafenster einen ähnlichen Gastplaneten rotieren. Ist es Jupiter? Wir wissen es nicht, denn auch im Torgo-System befindet sich ein großes Sektor-Hauptquartier in der Nähe eines ganz ähnlichen Gasplaneten. Dennoch scheint hinter dem Admiral für kurze Zeit ein großer Zyklon in der Atmosphäre auf, der dem Großen Roten Fleck des Jupiters zum Verwechseln ähnlich sieht. Auch in Wing Commander Saga werden wir dem Torgo-System einen Besuch abstatten. Bereits in mehreren Screenshots sowie im Trailer war der rötliche Gasriese sofort auszumachen, und die Ähnlichkeit mit Jupiter ist frappierend. Sogar ein Ringsystem ist vorhanden, das Jupiter übrigens auch besitzt – wenn auch nicht in solch deutlich sichtbarer Ausprägung. Hier handelt es sich um den dritten Planeten des Torgo-Systems, Torgo III.

Wenn Sie also abends im Osten bzw. Südosten einen gleißend hellen „Stern“ sehen, der sich im Verlauf der Nacht in Richtung Westen über den Himmel bewegt, haben Sie es ganz sicher mit Jupiter zu tun. Gönnen Sie ihm ruhig mal einen Blick, wie es unsere Vorfahren schon getan haben. Wenn Sie einen Feldstecher besitzen, dann halten Sie doch einfach mal drauf, es lohnt sich! Jupiter wird uns noch sehr lange erhalten bleiben, und auch nächstes Jahr wird wieder eine Opposition stattfinden, doch wird die schon nicht mehr so erdnah sein wie die letzte. Ich hoffe, ich konnte zumindest ein wenig Interesse für den faszinierend schönen Gasplaneten in unserem Sonnensystem wecken. Im kleinen Astro-Blog hier auf dem WingCenter werde ich, solange mir das möglich ist, weitere Amateuraufnahmen aus meiner Hand zeigen. Wer schon einmal hereingeschaut hat, weiß, dass es dort auch nicht beim Jupiter bleibt. Wer bei Wing Commander Saga ins Cockpit steigt, wird spätestens im Torgo-System einem Bruder von Jupiter begegnen. Ein Blick ins kühle Freie zeigt die Tage allerdings das Orginal und Vorbild in aller Pracht. In der Astrologie, die ich eigentlich als Kaffeesatzleserei verschmähe, werden dem Jupiter übrigens Glück und Erfolg zugeordnet. Wer könnte davon nicht genug haben?

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