Teil 16
*
»Ihr Glas Tee, werter Ser Vaughn.«
Die Kellnerin stellte das heiße Getränk auf dem kreisrunden Tisch ab, dann wandte sie sich dem Gesprächspartner des Senators zu. »Und für Sie wirklich nichts?« Der Mann in Uniform verneinte die Anfrage höflich.
»Nicht im Dienst, trotzdem vielen Dank.«
Mit seiner linken Hand trommelte er nervös auf der Tischplatte herum.
»Ser Larsen, wenn ich Sie also richtig verstehe, dann gehen Sie von einem gezielten Anschlag aus, ja? Ich bitte Sie – wer hätte Interesse daran, einen derartig unbe-deutenden Vertreter der Regierung wie mich auszuschalten? Da gäbe es wesentlich bessere Möglichkeiten und Ziele.«
Larsen sah seinen Tischnachbarn eingehend an.
»Aber Ihre Tätigkeit auf Hades...«
Lachend wehrte der Senator den Versuch des Soldaten ab.
»Seit den Neuwahlen und der neuen Gesetzgebung für das Tri-System habe ich keinerlei Einfluss mehr auf die Militärmaschinerie von Hades, oder besser gesagt auf keine einzige der dort stationierten Einheiten. Dieser eine Punkt wäre uns vor gut einem halben Jahr fast zum Verhängnis geworden – jetzt aber muss die Mehrheit des Senats für die Mobilmachung der CIS stimmen, einfach so das Kriegsrecht verhängen, das geht nicht mehr.«
Ser Vaughn griff zu seinem Tee, er nahm einen kräftigen Schluck. »Ser Angus Santana war für uns das ultimative Warnzeichen. Zweimal passiert uns der gleiche Fehler nicht.«
Ser Larsen strich sich nachdenklich über den kurzen Kinnbart.
»Mag sein. Ein Kollege von mir hat ein wenig Recherche betrieben. Seinen Daten zufolge war diese Aktion mit dem Transporter von langer Hand geplant. Der Einbruch in unsere Datenbank, dann suchten die sich ein Zeitfenster, wo unsere Jäger möglichst weit draußen waren. Und dann der verwendete Explosivstoff – wussten Sie, dass es fast ans Unmögliche grenzt, derartige Mengen an Raketentreibstoff zu bekommen?«
Senator Vaughn hielt inne.
»Was sagen Sie da?«
Ein leichtes Kopfnicken von Ser Larsen untermauerte seine Worte aufs deutlichste.
»Dieses Zeug ist teuflisch. Man kann es nicht scannen, es sieht aus wie normaler Treibstoff, riecht auch so. Nur wenn es einmal brennt, dann ist nichts mehr sicher.«
»Und dieses Schiff, diese Maine, hatte also solchen Treibstoff geladen?«
»Allerdings. Man hatte sogar den Start der Straith mit eingeplant und man wusste genau, das diese Maschine einen Torpedo geladen hatte – unsere Berechnungen zeigen, das diese Typen wussten, wo genau sie die Maine platzieren mussten, um diese Straith zu erwischen und danach in Richtung Schleusentunnel abdriften zu lassen. Senator, zählen wir doch eins und eins zusammen. Wer auch immer das getan hat, er wollte zum einen die CIS bloß stellen, uns als unfähige Bürokraten darstellen. Und nebenbei – möglicherweise – auch Sie aus dem Weg schaffen. Möglicherweise ein Exempel statuieren.«
Ser Vaughns Aufmerksamkeit richtete sich in diesen Moment auf seinen Kollegen aus dem Senat, der soeben das kleine Cafe betreten hatte.
»Ser Ferren! Hier drüben!«
Der junge Senator blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Umgehend marschierte er mit schnellen Schritten auf den Tisch zu.
»Senator Vaughn, Ser Larsen!«
Freundlich erwiderten beiden den Gruß des Mannes, der sich regelrecht auf einen freien Stuhl am Tisch fallen ließ. »Nachrichten aus Anhur. Dort macht man sich Sorgen um unsere Sicherheit, wir sollen nach Möglichkeit einen Transporter des Militärs zur Rückreise benutzen.«
Ein wenig außer Atem griff Senator Ferren nach dem Glas Tee, er setzte es an seine Lippen und nahm einen kleinen Schluck.
Dann stellte er das Glas sofort wieder an seinen alten Platz und verzog das Gesicht. »Wie können Sie das nur freiwillig trinken?« Ser Vaughn zuckte nur mit den Schultern.
»Kräutertee. Der ist gesund und wesentlich besser für den gereizten Magen eines Politikers als Kaffee.«
»Kaffee? Gute Idee. Bedienung!«
*
Der Durchgang im Fels war sehr niedrig, Manley musste geduckt hindurch gehen. Dahinter verbarg sich ein etwa einhundert Meter langer Gang, der weiter nach unten führte, noch tiefer ins Gestein von Petra. Eugene hatte es plötzlich sehr eilig, er lief den schmalen Gang entlang und war binnen weniger Sekunden aus dem Blickfeld der Agentin verschwunden.
»Nicht so schnell, Eugene. Warte bitte auf uns.«
Die Agentin hielt kurz inne und griff sich nahezu zeitgleich an die Stirn – die Decke war niedriger als erwartet, ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit und schon hatte sie sich leicht den Kopf angestoßen. »Verdammt, nein ich wollte sagen: Autsch. Eugene, nun warte doch bitte auf uns.«
Im Eilschritt folgte man dem Kind und fand sich plötzlich in einer lang gestreckten Halle wieder, die in ihren Ausmaßen den Eingangsbereich noch bei weitem übertraf.
Und sie fand Eugene wieder, das Kind stand auf einer kleinen Leiter. Und dahinter...
Das Licht von Manleys Taschenlampe glitt über den silbergrau glänzenden Rumpf einer Jagdmaschine. Hier stand tatsächlich ein Raumjäger! Einer? Nein – dahinter standen weitere vier Maschinen vom gleichen Typ.
Hinter Manley kam der junge Soldat zum Vorschein und der benötigte einige Sekunden, ehe er passende Worte finden konnte.
»Fehlt eigentlich nur noch ein Schlachtschiff. Und das wäre dann das letzte, was das hier noch übertreffen könnte.« Manley nickte nur. Das hier übertraf mittlerweile so ziemlich alles, was sie bislang gesehen hatte. Und das alles lag direkt unter dem alten Schlachtfeld, das alles hatte man regelrecht unter den wachsamen Augen der CIS errichtet. Das alles – wirkte so surreal. Eugene war auf eine Tragfläche geklettert.
»Die hier find ich am schönsten.«
Der Junge zeigte auf eine Zeichnung am Cockpit der Maschine, sie stellte wohl eine geflügelte Raubkatze dar. Die Agentin schenkte dem Jungen ein aufmunterndes Lächeln, dann sah sie ihren Kollegen an.
»Fünf schwere Jäger, allesamt aus den Arsenalen der CIS. Das ist nun wirklich nicht mehr komisch. Haben Sie hier einen Aufzug oder etwas in dieser Art gesehen? Ich meine, wie kommen die Teile hier rein?«
Statt einer Antwort hob der Soldat einen kleinen Stein vom Boden auf und warf ihn gegen eine Wand. Sofort verschwand das Bild vom grauen Gestein, ein helles Leuchten begleitete den Treffer, für Bruchteile einer Sekunde hatte man dahinter die Sterne sehen können.
»Holografie zur Tarnung. Kraftfelder wie beim militärischen Trägerschiff, um die Atemluft und den Druck im Inneren aufrecht zu halten. Das hier hat das Militär gebaut. Oder zumindest war man mit bei der Planung und Materialbeschaffung dabei. Jede Wette.«
Manley sah fragend in das Gesicht des Gesprächspartners. Eugene jedoch hatte noch etwas auf den Herzen, seine Stimme erklang hell in der Halle und ein leises Echo war zu hören.
»Sera Manley? Kennen Sie eigentlich alle Raumjäger im Tri-System?«
»Na ja, eigentlich schon. Warum fragst du?«
Der Junge kam von der Tragfläche wieder herunter, dann griff er nach Manleys Hand und zog sie ein kleines Stück zur Seite. Dann zeigte er auf eine größere Aushöhlung in der Wand, die ebenfalls als Stellplatz für einen Jäger diente.
»Weil Sie das hier bestimmt noch nie gesehen haben.«
»Was zum...« Manley verschlug es die Sprache, dafür fand der junge Soldat sehr klare Worte.
»Sagen Sie mir bitte, das es nicht das ist, wofür ich es halte, ja?«
Das Metall des hier abgestellten Jägers war rot, er besaß ein recht großes Cockpit, zwei überdimensional wirkende und nach unten gezogene Tragflächen – im Großen und Ganzen betrachtet kam nur ein Wort dafür in Frage. Manley trat etwas näher an das technische Monstrum herum, sie warf einen schnellen Blick ins Cockpit. Danach atmete sie hörbar auf.
»Nein, das ist nicht, was Sie denken. Aber es soll den Anschein erwecken. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich hier rede.« Der Mann in Uniform reagierte nur zögernd.
»Klingt ja fast so, als hätten sie schon einmal in einer solchen Maschine gesessen.«
»Das ist richtig und es war seinerzeit ein Original und kein Nachbau wie der hier. Das sieht aus wie eine von Angus Santanas Maschinen. Wie ist das Teil nur hierher gekommen?«
»Verstehe ich Sie richtig? Das da ist keine Blade? Kein Clanschiff?«
Manley schüttelte den Kopf.
»Nein. Und jetzt mache ich mir ernsthaft Gedanken.«
Die Agentin leuchtete noch einmal die Halle ab, fand aber keinen weiteren Durchgang. »Gehen wir. Hören Sie, lassen Sie jede Schraube, jede Kiste, jeden Stein und jedes Körnchen Staub hier unten untersuchen. Wenn es sein muss, dann stellen Sie von mir aus den ganzen Planeten auf den Kopf, aber ich möchte schnellstens Ergebnisse haben.«
There is something under my wing - and it's not friendly!