Herrjeh, habe jetzt doch zugeschlagen! Das hat man davon, wenn man dann doch in eines der Let´s Plays reinschaut: es juckt einen regelrecht in den Fingern...
Nach vier Stunden Spielzeit möchte ich meine ersten Eindrücke schildern. Bislang wurde ich jedenfalls nicht enttäuscht. Ich weiß nicht, ob hier schon eine Spoilerwarnung angebracht ist, da ich nur die Atmosphäre und Stimmung des Spiels bislang ansprechen will. Auf den Plot werde ich weitestgehend nicht eingehen, wo doch, setze ich natürlich Markierungen.
Setting, Umgebung und Atmosphäre:
Das Spiel lässt sich am Anfang ausgesprochen viel Zeit, was angesichts des Settings keine falsche Entscheidung ist. Wer die Spielwelten eines System Shock 1 und 2 sowie Bioshocks aufgrund ihres fantastischen Designs mochte, wird sich bei Alien: Isolation (fast) wie zuhause fühlen. Innenarchitektur und Gestaltung der Raumstation "Sevastopol" sind wirklich ausgezeichnet geworden. Die Atmosphäre der fast verlassenen Stadt im All ist auch ohne das Alien zum Schneiden; hier ist einiges schief gelaufen, und das nicht erst seit gestern. Was einmal ein blühender Handels- und Reisestandort für 5000 ständige Bewohner war, ist nur noch eine Schatten seiner selbst. Einst geführt von einer aufstrebenden Firma in der Zeit der menschlichen Raumkolonisation, jetzt nur noch eine gewaltige Konkursmasse: Großkonzerne wie Weyland-Yutani dominieren inzwischen die Raumfahrt und die dafür nötigen Technologien, und die Betreiberfirma von Sevastopol, Seegson, zog am Ende den Kürzeren. Die Station wurde mehr oder minder abgeschrieben, und jeder, der konnte, hat sie längst fluchtartig verlassen. Die wenigen Menschen, die dort noch verweilen, wurden sich selbst überlassen. Die Andockrampen sind defekt, das Personal fast vollständig evakuiert, und sämtliche Flüge des verwaisten Raumflughafens gestrichen. Wer kurz nach seiner Ankunft das Terminal des Raumhafens betritt, fühlt sich direkt an die Unterwasserstadt "Rapture" aus Bioshock erinnert: Auch auf Sevastopol ist eine kleine Utopie mächtig den Bach runtergegangen. Wer erinnert sich noch an die Szene aus Bioshock, als man das erste Mal aus einem der großen Fenster blickte und plötzlich das Wrack des Flugzeugs herunterkrachte? Eine ähnliche Szene gibt es in A:I zu sehen, wenn auch wesentlich ruhiger, nachdem man das erste Mal den Passagierbereich des Flughafens betritt. Eine beklemmende Stimmung macht sich sofort breit.
Ich beschreibe die Umgebung und das Setting des Spiels so genau, weil man sich sofort an atmosphärische Klassiker wie System Shock (und Bioshock) erinnert fühlt, ohne dass dreist geklaut wurde. Es dauert eine knappe Stunde Spielzeit, bis man dem ersten (lebenden) Menschen begegnet, doch schon vorher melden sich Stimmen via Audiologs und Textnachrichten zu Wort. Die System Shock-Reihe hatte diese Art der rückwirkenden, achronischen Erzählweise 1994 eingeführt. Doom 3 und Bioshock griffen es schließlich auf, und A:I nutzt diese Möglichkeit ebenso - wenn auch nicht ganz so exzessiv. Ähnlich wie in System Shock (1 und 2) sowie Bioshock zeigt Sevastopol alle Anzeichen des Verfalls und der Verwahrlosung: Die Wände sind mit bedrückenden Graffiti übersäht, der Strom ist teilweise ausgefallen, Flammen schlagen aus undichten Gasleitungen, und natürlich sind zahlreiche Türen blockiert. Das perfekte Setting für Action-Adventure-Interaktion, könnte man sagen, denn ihr werdet Türen entriegeln, Zugangskarten finden und euch mit elektronischen Sperren beschäftigen. Survival-Horror ist anfangs noch nicht unbedingt angesagt.
Die Station lädt zum Erkunden ein, was für manche vielleicht etwas langweilig ist - mir gefällt so etwas, denn die Architektur ist gelungen. Wer den Film "Alien" und dessen detailverliebtes Setdesign der Nostromo (aus der Feder Ron Cobbs) liebte, dem muss diese Umgebung einfach gefallen! Hier wird sie konsequent fortgesetzt und auf die Spitze getrieben. Vielfach wurde das aus den Filmen aufgegriffene Retro-SciFi-Design von A:I gelobt, dennoch muss ich bei aller Begeisterung dafür sagen: Es wurde damit bisweilen auch etwas zu weit gegangen. Die vielen niedrig aufgelöseten Röhrenbildschirme sind freilich ein Muss, da sich Ridley Scott ´79 ganz bewusst dafür entschieden hatte, aber wenn die Audionachrichten in Form von 70er-Jahre Tonbandgeräten dargestellt sind, ist das zu viel des Guten. In den Filmen gab es dergleichen nicht zu sehen, und ein Spiel, das im 22 Jahrhundert angesiedelt ist, sollte auf diesen zu deutlich antiquierten Kram verzichten. (Und nein, die zahlreichen Glühbirnen gehen in voll Ordnung; wer sagt denn, dass die tatsächlich Glühdrähte nutzen?) Die Umgebung wirkt ansonsten sehr glaubwürdig. Ein Hauch von Freiheit ist übrigens auch spürbar, wenn auch nicht so wie in System Shock. Teilweise ist der direkte Rückweg dann doch versperrt, doch andererseits konnte ich nach dem Erreichen der ersten Transitstation (eine Art Verkehrsmittel) tatsächlich schon in Bereiche reisen, die nicht vorgeschrieben waren. Allzu weit kommt man dort natürlich (noch) nicht, aber es erhöht die Glaubwürdigkeit der Spielumwelt ungemein, wenn am Anfang nicht alle Türen zugeschlagen sind. Und dies ist in den frühen Levels sehr häufig der Fall, was die Frage aufwirft, wann man hier wieder vorstellig werden darf.
Grafik:
Die größte Überraschung für mich, muss ich sagen. Sie ist gut bis sehr gut, allerdings nicht auf dem höchsten machbaren Niveau, was kein Problem darstellt. Wer einen High End-PC nutzt, wird diesen bei weitem nicht ausreizen - wer aber (wie ich) einen über fünf Jahre alten Prozessor mit 4GB DDR2-Ram verwendet, kann frohlocken: Die Engine von A:I wurde trotz Multiplattform-Unterstützung sauber auf den PC portiert und läuft bei mir ausgesprochen flott. Die angekündigten Minimalanforderungen sind zu hoch angesetzt, denn demnach erfülle ich sie CPU-seitig schon gar nicht mehr. Mein alter Core2Duo E8400 (2x3 GHz) lädt Levels und Spielstände recht flott und macht flüssiges Spielen locker möglich. Entscheidend ist anscheinend lediglich die Grafikkarte, die zwingend DirectX 11-Standard erfüllen muss, sonst startet das Spiel nicht. Meine AMD R9 270 gehört noch zur aktuellen Mittelklasse (GTX 660-Niveau), aber die Grafikeinstellungen laufen alle auf Maximum. Alte CPU ist also kein Problem, Graka sollte dafür nicht zu veraltet sein - eine GTX 750 Ti soll ebenso ausreichen. Das nenne ich gute Arbeit, Creative Assembly! Wer die Qualität herabregeln möchte, hat praktisch kaum Möglichkeiten dazu. Ich kenne kein Spiel, das nicht die Verringerung der Texturauflösung zulässt, was ja optisch immer die größten Einbußen mit sich bringt. A:I ist da die schimpfliche Ausnahme: Man kann es schlicht nicht, obwohl sich ansonsten vieles regeln lässt. Wenig davon wirkt sich optisch überhaupt aus. Selbst die Verringerung der Schattendetails sorgt für kaum einen sichtbaren Unterschied. Wer das Spiel also flüssig spielen kann, darf getrost alles auf Maximum stellen, würde ich behaupten. Lediglich die Kantenglattung ist im Moment noch das Sorgenkind. 2xSMAA ist im Menü das höchste der Gefühle. Dürfte eines dieser neumodischen Postprocessing-Kantenglättungen sein. Ich habe noch nicht versucht, hier treiberseitig etwas zu erzwingen, vielleicht ist da mehr möglich. Die 16-fache anisotropische Filterung sollte man im Spielmenü aber auf jeden Fall aktivieren. Lohnt sich immer. Die 2xSMAA sorgen also immer noch für ein leichtes Flimmern an Kanten - wer eine starke Graka besitzt, wählt am besten Downsamling, was ja praktisch SSAA entspricht, und dürfte glücklich werden.
Das Spiel nutzt selbstverständlich zahlreiche schicke Lichteffekte, die sich sehen lassen können. Volumetrische Lichtquellen sind wirklich Pflicht, denn damit wirkt der optische Effekt genauso wie im Film: Sichtbare Lichtkegel, die in Echtzeit auch beweglich sind, sorgen für eine tolle Kulisse. Unbedingt aktiviert lassen!
Sound:
Das Spiel unterstützt natürlich Surround-Sound. Wer ein entsprechendes Boxensystem daheim stehen hat, sollte es wohl nutzen. Ich habe so etwas nicht mehr (kaputt), spiele über Kopfhörer sowie Stereo-Boxen, für die es im Menü eigene Profile gibt. Grundsätzlich kurpelt A:I die beste Soundkulisse ab, die ich seit Doom 3 gehört habe. Selbst mit Kopfhörern ist die Lokalisierung von Geräuschen wirklich gut. Es wummert, kracht, dröhnt und zischt an vielen Ecken und Enden, und oft erschrickt man wegen nichts und wieder nichts. Für Survival-Horror natürlich eine Pflicht, und das funktioniert und klingt prächtig. Kommen wir zum Soundtrack, der sowohl aus orchestralen Versatzstücken als auch aus synthetischer Ambient-Kulisse besteht. Beides wechselt sich ab und trägt ungemein zur Stimmung bei. Die symphonischen Partituren orientieren sich natürlich an Jerry Goldsmiths Score für den ersten Film, ohne sie allerdings zu kopieren. Sehr schön gemacht!
Steuerung (PC-Version):
Ist ja immer wieder eine Sache, die man bei Multiplattform-Titeln ansprechen muss. Ich kann eigentlich nicht meckern. Die Bedienung scheint zwar insgesamt mehr für Konsolen optimiert zu sein, doch ernsthafte Probleme tun sich mit Maus und Tastatur eigentlich nicht auf. Nur das Runterscrollen von Texten auf Konsolenschirmen funktioniert nicht mit den angegebenen Tasten. Möglicherweise eine Fehlbenennung. Viele Interaktionen erfordern das Zusammenspiel von Maus und Tastatur, so wie man eben auch auf dem Gamecontroller der Konsole unterschiedliche Kombos drücken muss. Auch die unterschiedlichen Bewegungsarten funktionieren am PC tadellos: Ducken, um die Ecke schauen, alles ist recht intuitiv. Wer möchte, kann die Tastenbefehle neu zuweisen.
Irgendwann findet man natürlich auch eine Waffe (Revolver) sowie die passende Munition. Hier wird schnell klar, dass wir es mit keinem Shooter zu tun haben, denn wenn man tatsächlich mal schießen muss (oder will, denn es gibt immer andere Möglichkeiten), wird das Nachladen zur Qual: Jede Patrone wird nämlich per Knopfdruck einzeln in die Kammer gesteckt, was seine Zeit braucht. Großes Herumballern ist da nicht, und da wäre auch noch die Sache mit dem Krach, den man erzeugt...
Den nächsten Absatz setze ich unter Spoiler-Warnung!
Es dauert eine ganze Weile, bis das Alien zum ersten Mal tatsächlich im Level aktiv wird. Zuvor gab es zwar eine Zwischensequenz, doch bedroht wurde man darin noch nicht. Wenn das Alien dann zum ersten Mal in eurem Bereich richtig auf die Jagd geht, schnellt der Puls unweigerlich nach oben. Es wurde bislang kritisiert, dass der Xenomorph es vor allem auf den Spieler abgesehen hätte und die NPCs geflissentlich ignorieren würde. Vielleicht liegt es am 800 MB großen Patch, dass ich das defintiv verneinen muss. Beim ersten "Jagdlevel" mit dem Alien bin ich vor dem rettenden Fahrstuhl nicht etwa durch das Vieh getötet worden, sondern durch einen NPC, der mich schlicht von hinten erschossen hat. Alle anderen NPCs waren vorher schon durch das Alien niedergemetzelt worden und entsprechend aus dem Weg. Also neu geladen und noch einmal ran. Dieses Mal erwischte der Jäger alle NPCs, sodass ich den Rücken frei hatte. Da wurde niemand per Skript ignoriert oder aufgespart: Das Gemetzel war von weithin hörbar. Natürlich steht man dann mit dem Rücken zum Level vor einer Aufzugtür und bedient hektisch seinen Decoder... Spannung pur, wenn sich direkt über einem eine Schachtöffnung befindet. In diversen Let´s Plays läuft die Szene wiederum vollig anders ab. Da muss sich also etwas getan haben, oder einige Redakteure waren etwas voreilig mit ihrem Urteil. Ob das aber weiterhin so abläuft, kann ich noch nicht beurteilen.
Vorläufiges Fazit nach vier Stunden auf "Normal":
Atmosphärisch und spannend (auch ohne Alien), nervenzerfetzend, sobald mit dem Alien. Tolle Umgebung, schicke Beleuchtung und gute Engine-Performanz für ein neues Spiel auf einem alten Rechner. Ob sich das so weiterführen lässt, ist natürlich die große Frage. Bisher hat das Spiel m.E. schon viel dafür getan, den Schock eines Aliens: Colonial Marines´ vergessen zu machen. dafür sind wir hier in einem anderen Genre unterwegs, praktisch nackt unter Wölfen. Für Fans von System Shock, Amnesia (die schockt wohl eh nichts mehr) sowie des ersten Alien-Films generell ein Titel, den man nicht ignorieren sollte. Wer derzeit kauft, erhält die sogenannte "Ripley Edition", die neben einem netten kleinen Artbook die Steam-Codes für zwei DLCs enthält. Dies sind "Crew Expendable" sowie "Last Survivor". Beide werden auch extra angeboten, da es das Hauptspiel auch als reinen DL gibt. Steam ist natürlich Pflicht und spielt euch automatisch den aktuellen Patch auf. Bugs sind mir, bis auf die Menü-Sache, noch keine aufgefallen.
Bislang also in meinen Augen das erste Spiel, das der Filmvorlage gerecht wird, und damit meine ich sämtliche Filme! Wer lieber ballern möchte, ist hier allerdings falsch. Man kann es freilich tun, sofern man die Munition hat, aber das will wohlüberlegt sein. Hardwareseitig kann ich Entwarnung geben.
Hier noch einmal mein System (alles im Spiel auf Maximum) in Zahlen und Worten:
Intel Core2Duo E8400, P35-Chipsatz
4 GB DDR2-Ram
XFX AMD R9 270 (2 GB VRAM)
Samsung SSD (v.830) 128 GB
Onboard-Sound, Kophörer, Boxen (2x)
Wer das erfüllt, hat keine Probleme, was bei einem aktuellen Titel nicht selbstverständlich ist. Ich bleibe natürlich dran, keine Frage.
"Ich würde immer eine Maschine bevorzugen, die um einen schweren Jäger Kreise fliegen kann, wenn es sein muss.“ Alec "Ninja" Crisologo, Wing Commander Saga